An diesem Morgen ging die Gruppe des alten Sonnenhauses hinunter zum Jugendhof in den Speisesaal und nahm – zusammen mit der Gruppe der Tannenhecke – ihr Frühstück ein; wie halt an jedem Tag.
Vielleicht gab es mal wieder die von uns so verhasste Milchsuppe. Ich weiß es nicht. Jedenfalls wurden wir satt.
Nun erhielten wir die Anweisung, dass bitte die Stühle mit Blickrichtung Bühne aufzustellen seien und wir uns auf die Plätze zu begeben hätten.
Das war ungewöhnlich.
Kannten wir es doch bisher, nach dem Frühstück unsere Schulbarracke aufzusuchen, um den Beginn des Unterrichtes abzuwarten.
Die Tür des Speisesaals öffnete sich.
Der Schulleiter und mein neuer Klassenlehrer Herr Roth-Bernstein betrat mit versteinerter Mine und kreideweißem Gesicht den Saal.
Er bewegte sich nur wenige Schritte auf die sitzende Schülergruppe zu und stammelte maximal 4 oder 5 Sätze.
Sein Text endete mit den Worten: “Heute ist schulfrei. Ihr könnt in eure Gruppen gehen.“
Dann verschwand er, noch immer bleich im Gesicht.
Der sonst so sprachgewaltige Herr Roth-Bernstein rang sichtlich nach Worten.
Die Ansprache dauerte höchstens 2 Minuten. Es wurde für einen auffallend langen Moment sehr still im Saal.
Jeder von uns spürte nachhaltig, dass etwas sehr Außergewöhnliches passiert sein musste.
Ich glaube, wir waren alle so erstarrt von Herrn Roth-Bernsteins Auftritt, dass wir den wesentlichen Inhalt seiner Mitteilung gar nicht in der Lage waren, aufzunehmen, geschweige zu erfassen.
Heute schreibt dieser Tag Geschichte.
Mir fehlt jegliche Erinnerung daran, wie der weitere Tag vonstatten ging.
Ich hoffe sehr, mich eines Tages an die geschichtsträchtigen Worte von Herrn Roth-Bernstein erinnern zu können.
Eva