Beiträge von Johanna Roth - Bernstein im Thema „Bücherecke“

    Liebe Tommy,


    ist das eine Freude!!! Die Ahnen haben meine Schwester und ich bestimmt mehr als einmal gelesen. Allerdings hatten wir auch nicht viele Bücher, denn wir waren in Wuppertal ausgebombt und von den Geschenken neuer Bekannten in neuen Gegenden abhängig. Meist im Zusammenhang mit deren Umzug gen Westen.


    Also, die Ahnen..... was hat es mich gewurmt, wie habe ich innerlich gehadert, daß Ingraban letztendlich aufgab und sich taufen ließ...
    Kam Ingo nicht als Flüchtender nach Thüringen ?? Und schon ziemlich am Anfang sieht er dort im Wald das Mädchen, Fürstentochter,das er später heiratete,
    nachdem er sich an einem der thüringer Hofe eien Namen und Ehre erworben hatte ??? Es ist ewig lange her, daß ich es las und durch Dich komm
    ich wieder etwas in den Gesamtzusammenhang. Richtig, er war selber Königssohn, der vor den Römern auf der Flucht war. I ch las es zu einer Zeit, da ich noch keine Ahnung von den geschichtlichen Zusammenhängen hatte. DIe innere Auseinandersetzung bei jedem der Hauptfiguren mit den von Rom kommenden neuen Werten hat mich vor allem gefesselt.


    Der Kampf um Rom.. Ja, natürlich, von Felix Dahn. Auch ich hab dieses Buch wie Du verschlungen. Und bin mit Teja fast selbst gestorben.
    Soviel ich in Erinnerung habe, war er der Letzte der Gotenkönige, die in Rom regierten. Hatte Totila seinen Sitz in Ravennna ?


    Ich bin mir sicher, daß etliche der Werte aus diesen BÜchern für mich prägend waren. Treue zu einer Sache, auch wenn sie vergeblich ist, Absoluter Widerstand gegen geistiges Vergewaltigtwerden.


    Bin wirklich erstaunt, daß jemand der Jüngeren, natürlich meinte ich Euch alle, die Bücher kennt und es würde mich sehr interessieren,
    ob noch andere Gutav Freitag gelesen haben oder Felix Dahn
    ....bestanden die Ahnen aus 3 Bänden? Ich hab so was in Erinnerung wie
    ingo und Ingraban... das Nest der Zaunkönige ??? und ??
    ,


    Kerlchen gehört in die Reihe von " Mädchenbüchern"
    Aber im Gegensatz zu Trotzkopf oder ( Mädchenname)-das Nesthäkchen... die ich ablehnte, fand ich hier als 8jährige mehr als nur Unterhaltungslektüre. Es war die Beschreibung von echt wirkenden Lebenssituatuationen und es roch nicht nach Anstands-oder verhaltensbelehrung.
    Ich jedenfalls lernte mit Kerlchen die Situationen durchzustehen und auch einiges an Menschenkenntnis. Besser ausgedrückt, mit den Menschen besser klarzukommen. Die meisten Menschen , die ich kennengelernt hatte, mochte ich nämlich gar nicht. .
    Ich glaube, die Verfasserin hatte den Vornamen Felicitas... ich würde denken, daß das Buch älter ist und in etwa 1920 zu kaufen war.
    Ich bekam die 10 sehr abgegriffenen Bände von einer schon älteren Dame geschenkt.
    Aber es wurde offensichtlich kein Massenschlager, denn ich habe es nirgends wiedergefunden, nachdem es mir durch die Ausbombung in Wuppertal verloren ging.


    AUf Deinen Vorschlag " Kleiner Literaturkreis" gehe ich gerne ein.
    Laß es uns versuchen
    :wiwi: :wiwi: :wiwi: Hanna

    Kennt eigentlich irgendjemand von den Jüngeren eines der Bücher, die ich als Kind und oder jugendliche gerne las ?


    Gustav Freitag: Die Ahnen ?


    oder "Der Kampf um Rom" , weiß jemand wer der Verfasser des Letzteren ist ?


    und kennt einer gar mein heißgeliebtes Buch " Kerlchen",
    das ich beim Lichte einer Phophoranstecknadel ( die trug man im Krieg im Dunkeln) unter der Bettdecke las ?

    ?????????? Ist das jetzt ein Witz oder tuen die das wirklich ???????????? Ist da irgend jemand auf den Hund gekommen ??? Gibt es keine vernünfffffftigen Erwachsenen, die nicht kritisieren ? sondern aufmuntern und loben ?


    Aber Tiere werden seit langem schon zu Menschenersatz.

    Ich mochte Karl Mai riesig gerne und durfte ihn aber in meiner sehr religiösen Familie nicht lesen. Das war Schundliteratur.
    Aber auf dem Immenhof in der Tannenhecke gab es Herrn Schilke und der besaß alle Bände !!!!
    Ich hab verspätet alles nachgeholt. Später las ich mit Spannung die Lebensgeschichte des Erfinders solcher Abenteuer.
    Er war ja nie dort in den von ihm geschilderten Ländern.
    Das aber macht mir nichts aus. Die spannenden Stunden, die ich über diesen Büchern verbracht habe, möchte ich nicht vermissen.


    Die Bücher von Astrid Lindgren hab ich zum Teil Uli vorgelesen. Sie sind einzigartig und gut in Kinder eingefühlt.


    ich mochte auch Emil und die Dedektive von Erich Kästner gern. Hab aber auch dies Buch erst sehr viel später lesen können.

    setze sie aber jetzt hier hinein. Mein Beitrag ist also nicht in den Fortlauf des Berichtes von Uli einzuordnen, sondern eine Stellungnahme zum Buch eines Lesers, der die beschriebene Zeit kennt. Allerdings nicht die Spätzeit der DDR, in der der Schriftsteller lebte. Ulis Bericht ist prima, mein Beitrag hier also keine Kritik daran. Er bezieht sich nur auf eine telefonische Äußerung von Uli , auf die ich nicht antwortete und zuerst nicht wußte, warum es mir die Sprache verschlug. Es ging um das Herzlich Lachen- können. Beim Schreiben fiel mir ein, vielleicht ist es wichtig so einen Zusatztext allgemein hier hineinzusetzen.


    DerTurm ( Uwe Tellkamp)


    Ich hab lange nachgedacht, warum ich im Gegensatz zu Uli so gar nichts zum Lachen darin finde. Jetzt ist es mir klar. Uwe Tellkamp beschreibt den Verfall in der DDR-Zeit mit großer einfühlsamer Genauigkeit bis in die kleinsten Details. Dabei berichtet er über Generationen hinweg. Generationen, die in meiner DDR-Zeit lebten. Und im Gegensatz zu Uli hab ich diese Zeit wirklich erlebt. Ich sehe also beim Lesen nicht nur die immer grauer werdenden Fassaden, das Abbröseln der Außenfarbe, die kaputten Regenrinnen, die mühselig gegen die Kälte abgedichteten Fenster und Mauerrisse, die blasenziehenden Tapeten, den Schimmel in den Ecken, die notdürftig geflickten Stromleitungen , die immer wieder versagenden elektrischen und sonstigen Geräte, die mit wenig Wissen repariert, die mühevoll mit Pflaster geklebten geliebten alten Teekannen, Tassenhenkel, die immer wieder einem entgegenfallenden Schranktüren, Schubladen, Klinken......kein Moment im Alltagsleben, wo man sich auf die Funktion eines einst sehr gut angefertigten Produktes verlassen kann ( schreibe ich “konnte“, klingt es so schön längst überwunden), wo man nicht in die Unzuverlässigkeit geworfen wäre. Ebenso im Außenleben beim Benutzen der Straßenbahn, der Eisenbahn, des Busses. Schon ob man überhaupt in den gewählten Ort innerhalb der DDR fahren durfte. Ja, was man überhaupt durfte, war unsicher. Wie viel Anstehen an endlosen Schlangen bei Behörden, wo man dann mit nicht verständlichen Gründen den Antrag abgelehnt bekam oder auch plötzlich genehmigt. Gnade, absolute Abhängigkeit von nicht einsehbaren Mächten .
    Ja, Witze gab es viele. Gelacht wurde auch heimlich über sie. Ja, natürlich Humor. Der aber war Nothilfe, schwimmend auf der Verzweiflung des Nichtsdagegentunkönnens. Vielleicht ein Stückchen Hilfe des sich Miteinanderwissens . ES WAR MENSCHLICH WÄRMER??? Wird heute von vielen behauptet

    Eine Grundkälte, nicht nur die mit TH. meßbare, die , natürlich besonders im Winter, bis in die Knochen kroch. Kachelöfen ( Zentralheizung gab es damals kaum) , Kanonenöfen, mühselig jeden Morgen frierend befeuert, und am Weiterbrennen gehalten und dennoch die mit den Ersatzheizungsmaterialien nur selten wirklich das Zimmer voll erwärmten.. Oft nicht gewärmte Straßenbahnen, Eisenbahnen, Busse. Geschäfte.
    Nein vor allem die nicht messbare Kälte der Unpersönlichkeit, des Rückzugs der Menschen in graues, geducktes Verhalten. Kein offener Blick, zu Boden schauende Augen oder Augen, die irgendwo ins Nichts schauten, weil das sie Umgebende kein Ansehen lohnte, weil ein zu offener Blick ein inneres Denken verraten konnte. Fast ein Aufhören des eigenen Denkens. Ein an Raum gewinnendes hoch kompliziertes Spinnennetz von mitmenschlichem Verhalten, das sich in Nischen ausbreitete. Dort gingen die Kinder zu den jungen Pionieren, später zur FDJ. Die Väter und Mütter waren in der Partei. Sie verhielten sich dem Apparat gegenüber absolut unauffällig, sie schlängelten sich durch. Sie halfen sich gegenseitig mit ihren unterschiedlichen Beziehungen zu irgendetwas in ihren unterschiedlichen Berufen das Gewünschte zu erreichen. So wurden allmählich innerhalb der Wohnung zuerst die Dinge erneuert: Badewannen , Leitungen, Toiletten, dann Dächer repariert, Häuschen erbaut, auch wenn es Jahre dauerte, über Beziehungen allmählich alles Notwendige zusammen zu klauben, der Zaun repariert, Autos erlangt, sogar Westkleidung ergattert. Ja, es stimmt, was heute so viele behaupten, es ging ihnen tatsächlich gut. Sie erreichten fast alles, so lange sie sich an die Spielregeln hielten. Sich in ihren vielerlei Schwindeleien nie verrieten, sich gegenseitig rechtzeitig informierten. Besonder ganb es da die, DIE DABEI SOFORT DIE HÄNDE UND JEGLICHEN KONTAKT VON DEM ( denen gab es kaum) LIEßEN, der sich ,und dadurch sie, durch irgendein Verhalten in wirkliche Gefahr brachte, vom System bestraft zu werden. Diese schlossen absolut alle aus, die nicht wie sie, sich anpassten. Ich meine also nicht all die Menschen, die in der DDR blieben und sich bemühten, trotz allem irgendwie anständig mit möglichst vielen ihrer Werte durchzukommen. Das kostete wahrlich Mühe! Aber ich hatte eine unheimliche Wut auf diese andern, die durchaus in der Lage gewesen wären,von Bildung und Vermögen her, sich besser zu wehren. Die eigentlich ein Stück Stütze der Gesellschaft hätten sein müssen. Sie wären zahlreich genug gewesen Gegenmeinung zu vertreten. Menschen, die in ihrer Stadt eigentlich etwas galten. Aber ihr Wertesystem wurde allmählich hohl und erstarrte. Es lebte nicht im Jetzt und wirkte da aktiv , sondern galt nur Werken längst Verstorbener, je länger verstorben, desto ungefählicher, dem System negativ aufzufallen. Und in diesem Bereiche bewegten sich auch die Gespräche in diesen Familien, auch mit den Kindern . Gebildet, aber immer irgendwie unpersönlich, weg vom Konkreten .
    Die wirklich zum System Gehörigen, im Buch Ostrom bezeichnet, konnte man meist deutlich erkennen und, wenn man in ihrer Ideologie genau Bescheid wusste, sich gegen sie sogar mit ihren eigenen Thesen in Krisensituationen wehren. Manche unter ihnen waren sogar mit Werten erreichbar, weil sie selber wirklich welche hatten und glaubten, sie in diesem System erzielen zu können. Das waren aber nur sehr wenige, oft hatten sie schon unter den Nazis gelitten. Die andern waren rigoros nur hinter eigenem Fortkommen her und vertraten nicht selten mit innerem Vergnügen die menschenverachtenden Gebote und Strafmaßnahmen. . Ich haßte sie und duckte nicht. Ich war nicht doof unbekümmert, aber meinen Rücken verbiegen ließ ich mir nicht. Ging nicht in die FDJ und hatte natürlich keine Beziehungen . Und also war ich ausgegrenzt, von denen, die sich ja NUR, anpaßten ( Im Buch die Turmleute) , und natürlich von den überzeugten Mittätern. Und auf der Hut mußte ich vor beiden Gruppen sein.


    Aufgenommen fühlte ich mich in der Natur, meist in mir erreichbaren Vorortvierteln. All die kleinen Wege, die begrasten Unkrautränder, die beschneiten Bäume an den kleinen Straßen, die Schneeschlangen auf den Zäunen, die Ausblicke von Brücken, da war ich nicht einsam, nicht unmittelbar gefährdet. Das Buch läßt die durchgehende Kälte, auch die zwischenmenschlichen Beziehungen lassen das Frösteln fühlen( siehe Christian, sein Vater Richard), und auch dies innere Aufatmen draußen beschreibt das Buch.
    Es ist ein ausgezeichnet, ein sehr gut geschriebenes Buch, Uli. Da stimme ich Dir voll zu. Nur Lachen, Uli, kann ich an keiner Stelle. Es bleibt mir im Hals stecken. Ich les das Buch anders, nein, ich erleb es anders.

    Hallo !
    Zur Leseratte wurd ich in der 2. Klasse in Chemnitz. Ich hatte 7 Tage Hausarrest, weil ich beim Nachbarn Birnen geklaut hatte. Irgendjemand, wahrscheinlich einer meiner Cousins, schmuggelte mir ein Buch zu. Eine Geschichte von Pferden. Die ersten Tage las ich mehr als ungern, Abrer so ab 4 Tag kam ich auf den Geschmack und las den rest immer schneller.
    In Wuppertal dann abends wegen Bombengefahr Licht ab 20 Uhr aus. Auch alle Straßenlaternen waren dunkel. Die Leute trugen Ansteckfigurnadeln, die grün leuchteten, wenn sie tagsüber im Licht gelegen hatten. MIt solch einem Ding las ich unter der Bettdecke, verdeckt, da ich nach 20 Uhr zu schlafen hatte, jeden Abend bis die Augen tränten: Heidi, Trotzkopf, aber vor allem liebte ich die Kerlchen-Bände von Felicitas Rose.
    Dann Ausbombung, Verfrachtung nach Gehlberg in Thüringen. Weit und breit keine Bücher.
    Chemnitz, endlich kam ich über Bekannte an einige wenige Bücher ran: GUstav Freitag: Die Ahnen. Auch meine nächstjüngere Schwester hat das Buch mit Begeisterung gelesen und sucht noch heute überall die Stätten auf, wo Personen aus dem Buch gelebt ha ben sollen. Fast ebenso faszinierte mich Der Kampf um Rom, von Felix Dahn.
    Erst auf dem Immenhof hatte ich Zugriff zu beliebigen Mengen von Büchern und holte querdurch alles nach: Alle Bände, die dort von Karl May greifbar waren, alle Krimis von Schülke ..... und , und, und....Nee, ich habe weiß Gott nicht nur " Schwere" Literatur gelesen. Die auch, aber zur Erholung alles Mögliche andere .
    Was ich wie Uli wirklich liebte war "Der Kleine Prinz". Auch das Buch Deutschstunde von Siegfrie Lenz , natürlich auch andere Bücher beider Autoren, von Lenz vor allem " So zärtlich war Suleiken"
    Während meiner Berufszeit hab ich auch nicht unbedingt abends immer Appetit auf Schweres"gehabt. Die Bändchen von Una Troy fand ich erholsam humorig zum Schmunzeln. Auch erholsam und gleichzeig bekannte Sachverhalte köstlich anders betrachtend ,die Bände von Joachim Fernau: Cäsar läßt grüßen .... Und sie schämeten sich nicht.... viele, viele von ihm las ich durch. Auch Kishon , israelischer Satiriker, habe ich mit Genuß gelesen.
    Jetzt hör ich mit der Aufzählerei auf, sonst wird die Reihe unendlich. Wie gesagt, ich bin ne Leseratte. Aber Ihr seht, weiß Gott querfeldein.
    Herzlich!
    Hanna

    Wunerbar, Uli,
    ich hab Deinen Beitrag mit innerer Bewegung und natürlich viel Interesse gelesen.
    Ich werd in den nächsten Tagen meinen Beitrag reinsetzen. Natürlich ist der Beitrag von der einer Frau, die etliche Jahre vorher mit Lesen begann.
    Mami