Beiträge von Johanna Roth - Bernstein im Thema „Anekdoten / Mein Leben im Sachsenhaus“

    W.S. , Sachsenhaus unten, kam etwa 1962 in meine 2. Klasse. Still, Deutsch , Geschriebenes alles nicht leserlich, Lesen nicht verständlich, alle andern Fächer stumm. Mir wurde sehr ängstlich um den Jungen zu Mute. Aber da, in der schriftlichen Rechenarbeit eine glatte 1. Sachkunde, wenn ich ihm die Aufgaben vorlas und die Antworten schrieb, auch sehr gut. Allmählich beteiligte er sich auch mutig mündlich. Er stotterte. Aber eigentlich nicht sooo schlimm. Lag sein absolutes Versagen im Lesen und in den Diktaten am Stottern? Ich habe 4 Jahre lang nach allen damals bekannten Theorien : Stotterer, Rechtschreib-Leseschwäsche.. versucht den Jungen zu fördern. Nichts schlug an. Das einzige, was ich für ihn tun konnte, war, ihn trotz seines Versagens in einem Hauptfach, stetig zu versetzen. Damals gab es den Legastheniker-Erlaß noch nicht und mein Handeln wurde natürlich angegriffen. Nicht nur vom Schulamt, sondern auch von einigen in der Zeugniskonferenz des Immenhofes. Nach meinem Weggang vom Immenhof hab ich mich natürlich stetig nach der weiteren Entwicklung meiner Schüler erkundigt. Wie, vor allem, sollte es W.S. in der 5. Klasse ohne Erlesen von Texten und verständlich Schreiben können, schaffen? Da berichtete mir mein Mann eines Tages, daß Frau Marlordy es geschafft habe, sowohl das Stottern , und vor allem auch die Lesefertigkeit und die Rechtschreibung des Jungen so zu fördern, daß er nicht mehr auffällig war. Noch heute frag ich mich, wie hat die Frau das geschafft und ziehe den Hut vor ihr. Solch Tun kann nur mit großem Einsatz gelingen und das muß doch von andern beobachtet worden sein. Ich wüßte zuuuu gern, wie sie das geschafft hat. Vielleicht ist ja W.S. unter den anonymen Teilnehmern hier ? und kann mir antworten?? Oder ein anderer Beoabachter?

    Seit Kindertagen im Thüringer Wald war ich nicht mehr Schlittschuh gefahren. Im Winter, bei ausreichender Kälte liefen und tanzten die KInder beneidenswert auf dem See hinter dem alten Sachsenhaus herum. Ich traute mich nicht unter Zuguckern es auch auszuprobieren. Deshalb fragte ich Frau Marlordy, ob ich mal an einem mondhellen Abend mir ein Paar Schlittschuhe, die ja gleich hinter dem Eingang hinten in großem Haufen herum lagen, ausleihen durfte. Das waren damals so Dinger, die man mehr oder weniger einfach an gewöhnliche hohe Schuhe anschraubte. Sie genehmigte. Es war ein wundervoller Vollmondabend. Gegen 22 Uhr ,Uli schlief fest, als ich mich aufraffte. Zaghaft wagte ich mich aufs Eis , stakste vorerst ungeschickt herum und siehe da, was man einmal konnte bleibt doch in den Knochen als Wissen sitzen. Es war herrlich! Märchenhafte Stille, im Mondschein glitzerndes Weiß ringsherum. Ich lief, fast schwebte ich die Kreise wie im Traum.