Beiträge von Ulrike Roth - Bernstein im Thema „neues diskussionsthema.....schulpolitik (Stammtisch)“

    In der Zeitung fand ich heute einen Artikel über die Überlegungen unserer Landesregierung. Da sollen in Zukunft Haupt - und Realschule kooperativ näher zusammenarbeiten. Das bedeutet, die jeweiligen Schüler sollen in Zukunft nicht nur in den Fächern Sport und Musik, sondern fast durchgängig zusammen unterrichtet werden. Nur in den sogenannten Kernfächern: Deutsch, Mathe und Englisch soll weiter getrennt unterrichtet werden. Die beiden nterschiedlichen Abschlüsse sollen erhalten bleiben. Ferner wird ausdrücklich betont, die derzeit bestehende Dreiteilung solle nicht aufgehoben werden.
    Außerdem ist zu lesen, dass übelegt wird, Kleinst - Grundschulen (4 Klassen, 4 Lehrer) zu sogenannten Verbünden zusammenzufassen. Das betrifft sowohl
    den Einsatz der Lehrkräfte, als auch des Vewaltungspersonales.


    Ich möchte diese Sachinformation hier einfach mal zur Diskussion stellen. Vielleicht entsteht ja ein lebendiger Austausch.


    PS:
    In einer meiner beiden Grundschulen (derzeit 6 Klassen / 8 (mit mir 9 Lehrkräfte) kämpfen wir gerade um den Erhalt einer für Schülerbeine ortsnahen Schule.


    Liebe Grüße, Uli :wiwi:

    Mal langsam eins nach dem anderen:


    Zum Rechtschreibunterricht: Ich glaub, da muss man differenzieren. Zunächst hast Du Ilona total Recht. Rechtschreibung sollte auch heute noch wichtig sein. Bei der Bewertung in der Grundschule fällt sie aber nur noch zu 1 / 6 ins Gewicht. Daraus proffitieren vielleicht die Kinder mit Legasthenie. Für diese sollte auch das Computerprogramm als Hilfe da sein. Denn eine Legasthenie darf nie Anlass sein, auf der Realschule nicht zugelassen zu werden, obwohl gerade an der weiterführenden Schule das Leseverständnis im Vordergrund steht. In der Grundschule legen wir aber viel Wert auf Rechtschreibung. Von Kolleginnen weiß ich, dass dies auch für weiterführende Schulen gilt. Zumindest stöhnen sie über schlechte Rechschreiber,


    Das mit dem Niveau der Hauptschule stimmt punktuell leider auch, obwohl ich Schulen kenne, wo sich um ein gutes Profil bemüht wird. Aber das Problem ist vielseitig: Die Unterschiede zwischen den Schülern in der Hauptschule, auch bezüglich ihrer Probleme und ihrer Herkunft, soziale Zusammenhänge, Staatsangehörigkeit, Kulturraum... sind halt groß.


    Dazu kommt die derzeitige Schulpolítik. Was hörte ich neulich im Radio? Es wurde erkannt, dass Gymnasiasten mit den Anforderungen innerhalb der 12 Jahre bis zum Abi überfordert seien. Was will man tun? Nicht wieder 13 Jahre, damit die jungen Menschen mehr Zeit zum Lernen haben, nein! Der Stoffverteilungsplan, also das zu lernende Pensum soll ausgedünnt werden. Was soll man davon halten?


    Zu Ronalds Fragen: Ich unterrichte derzeit in der Integration sowohl Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen, Sprache, als auch sozial - emotionales Verhalten. ich bin in der Verpflichtung, regelmäßig zu schauen, ob ein Förderbedarf noch besteht. Außerdem muss ich vor einer Umschulung, z. B. nach Klasse 4, einen Lernstandsbericht schreiben. Gerade bei den Kindern mit sozial emotionalen Störungen muss dann entschieden werden, ob dieser Bedarf weiterhin besteht, sie also an die Schule für Erziehungshilfe müssen, oder ob sie sich einfach wie andere Kinder ohne Förderbedarf aber mit schwierigem Vefhalten benehmen, der Bedarf also aufgehoben werden muss.


    Manche Kinder benötigen natürlich durch das Eltenhaus... weiter Unterstützung. Wenn das nicht möglich ist, haben Schüler und Lehrer Probleme. An diesen Problemem scheitere ich bei allem Angagement für die Kids dann auch. Aber in der Regel funktioniert es bei den Rückführungskindern am besten, also bei denen, wo ich den Förcerbedarf aufhebe, weil sie genügernd innerschulische Unterstützung hatten.


    Zeitliche Vorgabe: Unser sparender Staat gibt 2 Sonderschullehrerstunden pro Klasse in eine Grundschule, die an ein integriertes System angeschlossen ist. Bei einer Schule mit 7 Klassen macht das also 14 Sonderschullehrerstunden, bei einer Schule mit 8 Klassen 16. Ich arbeite 25 Std. / Wo ( 14 + 11). Die vorhandenen Sonderschulehrerstunden kann ich nach Bedarf nutzen, muss aber immer Kompromisse eingehen, da nicht alle Kinder, die mich brauchen damit ausreichend versorgt werden können. So sitze ich hier und schreibe am PC Wochenpläne, damit meine Kids über die gesamte Woche versorgt sind, auchwenn sie nicnht bei mir in der Kleingruppe sondern im Klassenverband sitzen.


    Soweit ein Einblick in die realen Schwierigkeiten, Nöte und Machbarkeiten - es sind auch reale Chancen! Gruß Uli

    Roland, ich kann Dich verstehen. Das ist und war ein Problem. Das eine Problem liegt manchmal bei den Eltern, die Schwierigkeiten haben, die Fördernotwendigkeit ihres Kindes zu akzeptieren. Das ist ja auch nicht leicht! Da lässt man lieber das Kind im Unterricht so "mitlaufen" und übersieht die Überforderung, statt das man Hilfr annimmt.


    Das 2. Problem mit dem outfit der Zeugnisse haben Politiker längst erkannt: In der Integration wird deshalb zwischen "normalem" Ziffernzeugnis mit Bemerkung und Berichtszeugnis statt Ziffernzeugnis geschwankt. Derzeit sind wir hier in Niedersachsen wieder beim Berichtszeugnis in der Grundschule, wenn ein Förderbedarf Lernen vorliegt.


    Real muss zwischen folgendem unterschieden werden: Es gibt Kinder, die in der Integration überfordert sind, weil sie auch in den sogenannten Nebenfächern nichts für sich "rausholen" können. Diese kinder werden dann in der Förderschule gefördert. Dort haben sie je nach Fähigkeit, die Möglichkeit des Haupt - oder Sonderschulabschlusses. Da ist das dann problematisch. Die meisten Kinder, die ich fördere, profitieren von der Integration, d. h. sie lernen mit Unterstützung in der Grundschule. Ich kann sie am Ende der Grundschulzeit als "regelschüler" ohne Förderbedarf an die Hauptschule geben, wo sie entsprechend ihrer Fähigkeiten sich weiterentwickeln können, ihren Schulabschluss machenkönnen. Diese Kinder haben viele Chancen, sie können auch den Realschulabschluss machen.


    Kinder mit sozial emotionalen Störungen werden nur, wenn unbedingt notwendig an Schulen für Erziehungshilfe gegeben.Wenn irgend möglich, werden sie auch im Laufe der Zeit wieder umgeschult an die Regelschule, eben damit auf dem Abschlusszeugnis nicht "Schule für Erziehungshilfe" steht.


    Auch auf dem Immenhof wurde dies bedacht. Wann irgend möglich kamen die Schüler nach Bispingen, schon vor der 9. Klasse. Ihren Abschluss aber machten sie - wenn sie es konnten - auf jeden Fall dort.


    Hab ich geholfen? GRuß Ulrike

    Wir sind ja hier im öffentlichen Bereich. Ich versuch mal dennoch ein wenig aus meinem Erfahrungstopf zu plaudern, ohne zu viel zu schwatzen. Wie Ihr wisst, bin ich Förderschullehrerin. Ich wohne und arbeite in Niedersachsen und seit nun mehr ca. 7 Jahten in der Integration. Das bedeutet, ich versorge 2 Grundschulen, arbeite dort präventiv (vorbeugend) und unterrichte Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf Lernen, Sprache oder sozial - emotionale Entwicklung. Unter diesen Kindern - das kennt Ihr bestimmt aus Eurer Erfahrung - gibt es immer wieder solche, die, wegen irgendwelcher Lernschwächen von Anfang an nicht in der Schule klar kommen, den Anforderungen nicht gewachsen sind, ohne eigentlich wirklich zur Förderschule Lernen zu gehören. Diesen Kindern zu helfen, ist mein täglich Brot. Ich erlebe immer wieder, dass eine individuelle Fördeung mit einer differenzierteren Bewertung als die vorhandene - alle über einen Kamm mit den Zensuren 1 - 6 - hilfreich für diese Kinder ist. Solang sie in der Grundschule - und früher auch während der Orientierungsstufe - durchgehend mit den Leistungsstärksten verglichen werden, kommen diese Kinder zu kurz.


    Durch die Wiedereinführung des dreiteiligen Schulsystems ist zwar besonders in Klasse 4 der Leistungsdruck gestiegen - die Gutachten zur Schullaufbahnempfehlung müssen in der Regel 4 bis 5 Wochen vor den Sommerferien fertig sein, auch die Zeugnisse, damit die Kinder sich bewerben können, aber meine Schüler haben dann reale Chancen an der Hauptschule. Ich habe in den vergangenen Jahren die meisten meiner Schüler mit vorrübergehenden Förderbedarf "zurückgeführt", d. h. den Bedarf aufheben lassen. Sie kommen in der Hauptschule klar, können sich dort weiterentwickeln und, je nach Fähigkeiten, den erweiterten Abschluss,Kl. 10 machen, evtl.auch den Realschulabschluss. D. h. für diese Kinder ist der Druck weniger geworden, weil die Zeit, in der die Kinder unter Druck stehen, kürzer wurde.